Ruhe und Bewegung


Von Wang Pinzheng

Aus dem Vereinsmagazin Nr. 5, S. 8 der Jianquan Taijiquan Association Shanghai vom 15.5.1982


Taijiquan ist eine Bewegungsform bei der Ruhe und Bewegung nebeneinander bestehen. In der Bewegung gibt es Ruhe. In der Ruhe gibt es Bewegung. Taijiquan verhütet und bekämpft Krankheiten, kräftigt den Körper und ermöglicht es bei kontinuierlichem Training, sich auch gegen stärkere Gegner zur Wehr zu setzen. Was die Ruhe betrifft: Sie verweist auf den Ruhezustand der Lebenskraft. Wenn man Taijiquan übt, bemüht man sich um ein ruhiges Herz/Bewusstsein (xin) und einen ruhigen Geist (shen). Die Bewegungen entfalten sich natürlich (ziran), sind geschmeidig und anmutig, wie ziehende Wolken und fließendes Wasser.


Auf diese Weise kann man den nicht innehaltenden Stress der Arbeit in einen Zustand der Ruhe umwandeln. Die Milderung des Stresses verringert sogleich ein wenig die Erschöpfung und kann Kraftlosigkeit beseitigen. Taijiquan lässt einen ursprünglich müden Kopf erfrischt und entspannt anfühlen. Das ist eine Anwendung der Ruhe. Weiterhin: Wenn man Ruhe erreicht, entledigt man sich sogleich verworrener Gedanken.


Viele Krankheiten wirken durch „die Erschöpfung der inneren Organe und sieben Emotionen (neishang qiqing)" auf den Faktor Lebenskraft oder verstärken depressive und aggressive Zustände. Durch das Üben von Taijiquan erreicht man von alleine Ruhe und Entspannung. Reizbarkeit nimmt ab und man regt sich nicht so leicht auf. So erreicht man genau das, was im „inneren Klassiker" gesagt wird: „Die Lebenskraft wird im Innern beschützt, daher kommt die Beruhigung der Krankheit."


Obwohl Pushhands eine Übungsmethode der Kampfkunst für zwei Partner ist, stützt es sich auch auf die Idee von Ruhe und Weichheit. Es gilt nicht: „Wer zuerst angreift, ist im Vorteil“, sondern „Begegne der Offensive mit Ruhe (yi jing dai dong)" und „Überwinde Härte mit Weichheit (yi rou ke gang)". Wenn man Pushhands übt, muss man das Gegenüber nicht stark berühren. Man verwendet gerade so viel Kraft, dass man den anderen kontrollieren kann. Wenn man diese große Fertigkeit besitzt, hat man den Anderen schnell durchschaut und er wird ganz bestimmt geschlagen werden.


Beim Pushhands muss man darauf achten, dass man in hohem Grade ruhig und gelassen und nicht erschrocken ist. Die Hände sind leicht, das Qi sinkt. Handgelenke, Ellbogen, Schultern sowie alle anderen Gelenke müssen entspannt und offen sein. Oben leer und unten voll, dann kann man weich umwandeln und verändern. Die eigene Ruhe, Leichtigkeit, Entspannung und Weichheit befähigt, bei Berührung des Anderen Leer und Voll zu unterscheiden. So ist es dann möglich, den Umständen entsprechend zu handeln und angemessen zurückzuschlagen.


Wenn das Herz/Bewusstsein nicht ruhig ist, ist man nicht konzentriert, die Handbewegungen werden fehlerhaft und man kann nicht mehr das rechte Maß halten. Wenn das Herz/Bewusstsein erst einmal ruhig ist, kann man der Bewegung des Anderen folgen, ohne den Kontakt zu verlieren oder dagegen zu halten. Der Andere verwendet Kraft – ich nutze den Vorteil der weichen Umwandlung. Der Andere verwendet keine Kraft – ich verwende auch keine Kraft. Die Vorstellungskraft (yi) kommt zuerst und nicht die Anwendung von Kraft. Im Lied der schlagenden Hände (dashouge) heißt es dazu:


„Wenn der Andere sich nicht bewegt, bewege ich mich auch nicht. Wenn der Andere sich auch nur unmerklich bewegt, bewege ich mich zuerst."