Vier Fehler beim Üben der Form


Von Jiang Changfeng aufgezeichnet von Ma Zhenfu

Aus dem Vereinsmagazin Nr. 20, S. 3 der Jianquan Taijiquan Association Shanghai vom 30.4.1987


Vor kurzem sah ich beim Zeitung lesen den Titel „Vier Fehler beim Blumen ziehen“. Wenn man sich für die Aufzucht von Zierpflanzen interessiert, muss man der Natürlichkeit (ziran) folgen und sich tief einarbeiten, um den Fehler „zu viel (guo) oder zu wenig (buji)“ zu vermeiden. Das brachte mich dazu, über das richtige Üben der Taijiquan-Form nachzudenken. Auch hier muss man die Übereinstimmung mit der Natürlichkeit, dem höchsten Prinzip der Physiologie, beachten, sonst ist es schwer, die erhofften Resultate zu erzielen. Im „Vier Fehler beim Blumen ziehen“ heißt es:


„Der Fehler der Nässe, der Düngefehler, der Fehler der Hitze und der Fehler des zu großen Topfes. Einfach gesagt: Gießen und düngen zur richtigen Zeit und im richtigen Maß. Der Topf darf nicht zu groß sein. Man muss die Pflanze stets an einen hellen Ort stellen, wo die Luft zirkuliert. Auch gibt es den Fehler ´An einem Schößling ziehen, um ihn schneller wachsen zu lassen´. Dieser erzeugt genau das Gegenteil des gewünschten Ergebnisses.“


Ich sage, wenn man die Form gut beherrschen möchte, aber einem die Prinzipien des Taijiquan unklar sind, man nicht dem Gesetz der natürlichen Entwicklung der Dinge folgt, sich nur auf sein Wunschdenken verlässt und den schnellen Erfolg sucht, dann ist es schwer, dies zu erreichen. Hier möchte ich nun meine Eindrücke darlegen, kurz gesagt: „Die vier Fehler beim Üben der Form“. Ich gebe sie hiermit zur Kenntnisnahme. 

 


1. Fehler der Unnatürlichkeit


Jede Bewegung und jede Stellung der Form nimmt sich ohne Ausnahme ein Beispiel an der Natürlichkeit und ist in Übereinstimmung mit der Physiologie. Deswegen muss man sich davor hüten, sich gekünstelt zu verhalten, um herum zu tricksen, zu prahlen oder andere Leute zu verwirren. Beim Üben der Form muss man unbedingt nach einem ruhigen Herzen/Bewusstsein (xin) und einem lockeren Körper streben. Die äußere Erscheinung ist erhaben, mühelos und ungezwungen, leicht entspannt und gewandt. Die Kunstfertigkeit in der Form und die Verbundenheit mit dem Geist (shen) kommt bei jeder Stellung durch Natürlichkeit und Ungezwungenheit zum Ausdruck. Die ganze Zeit wird bewusst geleitet, die Bewegungen sind weich und fließend, rund und vertraut, wie Wolken ziehen und Wasser strömt. Man schreitet in der Reihenfolge ununterbrochen fort.


 

2. Fehler der Steifheit


Wenn man die Form übt und in den Hand- und Fußbewegungen Steifheit sichtbar wird, dann ist das auf deine schwerfällige Kraft zurückzuführen. Wenn die Bewegungen des ganzen Körpers unbeweglich und starr sind, ignoriert man das wichtige Prinzip: „Benutze Vorstellungskraft (yi) und nicht körperliche Kraft“. Dies beachten leider einige Taijiquan-Freunde nicht genug. Diese Leute müssen einem sehr Leid tun. Nur wenn man das natürliche „oben und unten folgen einander“ des Geistes und der Gliedmaßen hat, ist der ganze Körper gut aufeinander abgestimmt. Erst wenn man dies kann, erreicht man die dreifache Vereinigung von Vorstellungskraft, Qi und äußerer Form zu Einem. Dadurch kann man Krankheiten verhüten das medizinische Resultat „Das Leben verlängern. Die Jahre ausdehnen. Ewiger Frühling.“ erreichen.


 

3. Der Fehler des hin- und her Schwankens


Die Methode des Taijiquan hat für die Teile des Körpers verschiedene, aber miteinander verbundene Forderungen. Man unterscheidet die Lehre der Körperbewegungen, der Fußbewegungen, der Handbewegungen und der Blickrichtung, wobei die Lehre der Körperbewegungen am wichtigsten ist. Es gibt nicht wenige Freunde des Taijiquan, die sich nur auf die Lehre der Hände konzentrieren und für die das Lernen endet, wenn sie mit beiden Händen das Muster nachahmen können. In Wirklichkeit vernachlässigen sie bei der Lehre der Körperbewegungen "Zentriertheit, Ausgerichtet sein, Ruhe und Lockerheit“. Oben gibt es kein „aufrechter Kopf und leerer Nacken (xuling dingjin)“ und unten kein „aufrechtes Steißbein (weilü zhongzheng)“. Wie kann man so erreichen, dass der ganze Körper von oben bis unten in einer Linie verbunden ist? Der Scheitel schwankt hin und her und ist schief. So folgt die eigene Stütze nicht der Genauigkeit und Innen und Außen sind nicht aufeinander abgestimmt. Man sagt, in der Kampfkunst ist es wichtig, Zeit aufzuwenden, um die Grundpositionen gut zu üben. Das ist wirklich weitsichtig.


 

4. Fehler der Nachlässigkeit


Die heutigen Formen des Taijiquan sind durch berühmte Experten immer wieder bearbeitet und verbessert worden. Obwohl die Positionen in ihrer äußeren Form sich ein wenig unterscheiden, ist das Prinzip das Gleiche: Eine jede hat ihre festgesetzte Gliederung und ihren eigenen Standard. Es ist zu hoffen, dass man nicht davon unbeeinflusst seinen Weg geht und die Bewegungen nicht beliebig und nachlässig werden. Sehr gut ist es, wenn man die Wirkung und die Bedeutung jeder Methode und Stellung versteht. Man muss unbedingt nach einer fehlerfreien äußeren Form streben, bei der die Körperhaltung in sich stimmig ist. Dabei ist es am besten, wenn man einen guten Lehrer und hilfsbereiten Freund an seiner Seite hat, der einem Unterstützung gibt und wirkliche Geduld bei der Übung hat. Man selbst kann dann Schritt für Schritt die Gesetzmäßigkeiten seiner Bewegungen meistern. Von hieraus kann man stets bestrebt sein, sich täglich zu verbessern und sich immer mehr zu vervollkommnen. Unsere Wu-Stil Form stammt von der Vereinsvorsitzenden Wu Yinghua.


 

Zu guter Letzt soll hier noch über „Zu viel und zu wenig“ ausgeführt werden. Zum Beispiel dürfen die Bewegungen auf keinen Fall gekünstelt und unnatürlich sein, aber man muss sich auch hüten, übervorsichtig und unentschlossen zu sein. Dies würde heißen, dass man eine Tendenz zur Einseitigkeit hat und würde „zu wenig“ bedeuten. Besonders beim Anfang des Lernens muss man nach der Idee des Entspannens suchen. Danach kann man auch nach Kompaktheit suchen, aber Steifheit und Stockung in der Bewegung ist ein „zuviel“ an Kraft.

 

Aber man darf auch auf keinen Fall haltlos fließen und treiben oder hin und her flattern. Das ist „zu wenig“. Es ist wichtig, in der Kraft Weichheit, Langsamkeit, Gleichmäßigkeit, Einfachheit, Rundheit und Lebendigkeit zu suchen. Bezüglich des hin und her Schwankens und der Nachlässigkeit muss man nur den Anforderungen der Trainingsprinzipien der Form des Taijiquan an den Körper, die Hände, die Füße, die Augen usw. denken. Jede hat eine unmissverständliche Bedeutung und so können Probleme diesbezüglich mit wenig Mühe und viel Erfolg gelöst werden. Auf diese Weise erhält man Beharrlichkeit und wirkliches Lernen und die Praxis werden verbunden. So erreicht man ohne Mühe, dass außen die Form fehlerfrei aufeinander abgestimmt ist und innen die jin-Kraft den Wandlungen der Vorstellungskraft folgt. Daraufhin beginnt sich der Körper Schritt für Schritt auszurichten und der Geist sammelt sich. Innen und Außen werden verbunden und in der Weichheit findet sich Härte. Dies ist die wunderbare Phase der Rundheit, der harmonischen Verbindung und der Feinheit.