Zum Verständnis von keine doppelte Schwere haben und neutralisieren können

 

Von Li Renliu

Aus dem Vereinsmagazin Nr. 4, S. 2 der Jianquan Taijiquan Association Shanghai vom 15.1.1982


Ich übe Taijiquan seit mehr als 40 Jahren und ich habe mich, um Aussicht auf Fortschritt zu haben, stets in die Erfolgsgeheimnisse der alten Taijiquan-Meister vertieft. Dieses Jahr habe ich mich mit Wang Zongyues Klassiker des Taijiquan (Taijiquan jing) beschäftigt. Dieser Text hat mich inspiriert und er besagt zusammengefasst, dass man auch bei ernsthafter Übung des Taijiquan nur dann einen relativ hohen Entwicklungsstand erzielen kann, wenn man keine doppelte Schwere (shuangzhong) hat und neutralisieren (yunhua) kann. 


Für den normalen Menschen bedeutet der Begriff „Kampfkunst üben“, dass man eine kämpferische Haltung und harte Kraft in den Armbewegungen hat. Beim Taijiquan ist es genau andersherum. Hier knüpfe ich wieder an meine eigene Erfahrung an, aus der ich weiß, dass die Meister der Taijiquan-Familien eine gute Gesundheit und ein langes Leben sowie eine hervorragende Technik haben und niemals harte Kraft verwenden, um zu siegen. Aus der Praxis habe ich die Richtigkeit der Taijiquan-Theorie erfahren: der Schlüssel zu ernsthafter Übung des Taijiquan ist das Lösen des Problems der doppelten Schwere.


Wang Zongyue sagt: „Oft sieht man Leute, die noch nach vielen Jahren ernsthafter Übung weit davon entfernt sind, die Fähigkeit des Neutralisierens zu beherrschen. Meist werden sie auch durch den Anderen kontrolliert, da sie den Fehler der doppelten Schwere nicht erkannt haben.“ Aber warum ist es so schwierig, den Fehler der doppelten Schwere zu verstehen? Es gibt zwei Gründe:


1. Es gibt das Vorurteil, dass man bei der Kampfkunst beständig Kraft einsetzen muss. Dies behindert die Einsicht in die Leichtigkeit, Entspannung, Weichheit und Harmonie des Taijiquan. In meiner Kindheit habe ich mehr als zehn Jahre Shaolin-Kungfu geübt. Damals war bei mir dieses Vorurteil in noch größerem Maße vorhanden.


2. Es wird in den Kampfkünsten die Unterscheidung von Voll und Leer oft nur für die Hände und die Füße getroffen. Doppelte Schwere wird so nicht vermieden, da man nicht berücksichtigt: „Jede Stelle hat einen leeren und einen vollen Aspekt. Überall gibt es immer Leer und Voll. Der ganz Körper ist von Gelenk zu Gelenk ohne die geringste Unterbrechung miteinander verbunden.“ Wenn man sein Können nicht auf diese Einsicht aufbaut, dann kann man in der Konfrontation doppelte Schwere nur schwer vermeiden. Neutralisieren ist dann nicht möglich und man wird selbst durch den Anderen geschlagen.


Im Taijiquan ist die Form die Grundlage (ti) und das Pushhands die Anwendung (yong). Beim Üben der Form kann man auch den Einsatz von jin-Kraft üben. Wenn man keine jin-Kraft hat, wird man beim Pushhands ganz natürlich nur mit körperlicher Kraft arbeiten und sie zum dagegen halten verwenden. In der Art und Weise wie im Taijiquan der Körper, die Hände, die Füße, der Blick usw. verwendet werden, sind Hauptpunkte wie Entspannung, Ruhe, Harmonie und Bauchatmung zu beachten. Man kann einfach sagen: Beim Üben der Taijiquan-Form muss man die Lebenskraft innen halten und die Gedanken konzentrieren.


Man sorgt dafür, dass die Bewegungen sich entspannt, leicht, gewandt und besonnen entfalten. Die Bewegungen des Bauches sind mit der Atmung verbunden. So kann man üben, die gesunkene jin-Kraft hervorkommen zu lassen. Wenn man entspannte und gesunkene jin-Kraft hat, kann man einmal entspannen, einmal sinken und einmal leer, einmal voll erreichen. So wird man Schritt für Schritt durch „in der Weichheit liegt Härte“, „in der Härte liegt Weichheit“ und „Weichheit und Härte unterstützen einander“, „kreisförmig und gewandt“ und „andauernd ohne Unterbrechung“ die Elastizität der jin-Kraft voll entwickeln. Dies ist der Prozess von „höchste Weichheit“ wird zu „höchste Härte“ und man muss es trainieren, bis man es kann, auch wenn es relativ schwierig ist.


Beim Pushhands muss man das jin-Kraft Fühlen (tingjin) und das Reagieren üben. Man muss entspannte und gesunkene jin-Kraft verwenden und mit „Kleben, Verbinden, Haften, Folgen ohne den Kontakt zu verlieren oder dagegenzuhalten“ üben, sodass man allmählich die Absicht des Angreifers versteht und behände eine passende Gegenmaßnahme ergreifen kann. Kleben und mitgehen, ohne den Kontakt zu verlieren, wie in „Kleben ist Mitgehen. Mitgehen ist Kleben.“ Das ist einfach ohne „doppelte Schwere“ sein und „neutralisieren“ können.


Bei der Konfrontation mit Kraft muss man neutralisieren, d.h. einfach, die günstige Position durch Anwendung des Gegenteils erreichen, den Fehler der doppelten Gewichtung vermeiden und so selber den Anderen beherrschen. Natürlich muss man, um dieses Niveau zu erreichen, von der Theorie bis zur Praxis alles durchlaufen und ohne Unterbrechung sehr hart üben. So kann man großen Erfolg erreichen und es heißt nicht: „Man hat vergebens viel Zeit und hartes Üben (gongfu) aufgewendet und hinterlässt ein Seufzen.“ Dies ist nur mein relativ einfaches Verständnis über doppelte Schwere und Neutralisieren. Es muss nicht ganz richtig sein und so bitte ich die Älteren und meine Taijiquan-Gefährten mich zu belehren.